Islam-Bauprojekte in Österreich mit Geld deutscher Extremisten

Zentrale des politischen Islam in Wien und nö. Moschee von verfassungsfeindlicher Gruppierung mitfinanziert

Milli-Görüs-Prominenz eröffnet in Wien ein neues Zentrum des politischen Islam (v. l.): Alif-Vorsitzender Murat Baser, Ex-IGGÖ-Präsident Anas Schakfeh, IGGÖ-Mufti Mullaoglu, Milli-Görüs-Boss Kemal Ergün, Botschafter Ozan Ceyhun, IGGÖ-Präsident Ümit Vural.
Milli-Görüs-Prominenz eröffnet in Wien ein neues Zentrum des politischen Islam (v. l.): Alif-Vorsitzender Murat Baser, Ex-IGGÖ-Präsident Anas Schakfeh, IGGÖ-Mufti Mullaoglu, Milli-Görüs-Boss Kemal Ergün, Botschafter Ozan Ceyhun, IGGÖ-Präsident Ümit Vural. © Screenshot: Facebook/IFW

Die Ironie der Geschichte ist kaum jemanden bewusst — so wie vieles rund um dieses Immobilienprojekt in der Wiener Neusetzgasse. Der Straßenname geht zurück auf die neuen Weinkulturen, die hier nach dem Ende der Türkenkriege 1683 gesetzt wurden.

Jetzt sind die Türken wieder da: Seit Kurzem logiert in der Favoritener Neusetzgasse 1 am Reumannplatz die Islamische Föderation Wien (IFW). Bei der Eröffnung ihres neuen Verwaltungsgebäudes offenbarte die IFW ihre engen Verbindungen zur Türkei. In einer seiner letzten Amtshandlungen hielt der scheidende türkische Botschafter in Österreich, Ozan Ceyhun, die Eröffnungsrede.

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Der Diplomat lobte die enge Kooperation der Islam-Föderation mit „unserem türkischen Staat“ und würdigte deren Einfluss auf die hiesigen Muslime: „Wenn es eine starke islamische Gemeinde in Österreich gibt und wenn unsere jungen Menschen in Österreich perfekt religiöses Wissen lernen können, wenn sie perfekt Türkisch sprechen können, dann ist der Anteil der Islamischen Föderation daran sehr groß.“

Botschafter „Wendehals“

Ceyhuns Auftritt ist, so nebenbei, auch eine Ironie seiner persönlichen Geschichte. Denn der 64-jährige Türke beweihräuchert eine Institution, mit der er früher übers Kreuz war. Zu Beginn dieses Jahrtausends hatte er sogar ein Buch mit dem Titel „Politik im Namen Allahs: der Islamismus — eine Herausforderung für Europa“ herausgebracht.

Darin heißt es unter anderem: „Milli Görüs arbeitet konspirativ und täuscht die europäische Öffentlichkeit seit Jahrzehnten erfolgreich über ihre Organisationsstruktur und ihre politischen Ziele.“ Ein knappes Viertel Jahrhundert später lobt Ceyhun mit der Islamischen Föderation eine Milli-Görüs-Institution über den grünen Klee.

Nähe zu Parteien gesucht

In der austrotürkischen Community nennen ihn Kritiker nur noch „Wendehals“, war er doch erst Europaabgeordneter der deutschen Grünen (1998-2000), dann der SPD (bis 2004), ehe er in die Dienste der türkischen Regierungspartei AKP trat und 2020 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit dem Botschafterposten in Wien belohnt wurde.

Es geht das Gerücht, Ceyhun strebe einen neuen diplomatischen Job als türkischer Querverbinder im deutschsprachigen Raum an. Obwohl er eine VOLKSBLATT-Anfrage zu seiner Zukunft „erst nach der Rückkehr nach Ankara“ beantworten will, sind schon Lobbying-Aktivitäten geplant. Bei einem Abendessen in Wiener Neustadt lud Ceyhun ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker „im Frühjahr zum Golfen in Antalya“ ein.

Bei der SPÖ sind solche Umgarnungsversuche nicht mehr nötig. Auf allen Ebenen pflegen österreichische Genossen mit Blick aufs muslimische Wählerpotenzial enge Kontakte zu türkischen Institutionen, deren Vertreter auch mit Mandaten gelockt werden. In Vorarlberg etwa kandidierte bei der jüngsten Landtagswahl ein ehemaliger Mitarbeiter des türkischen Generalkonsulats in Bregenz für den Landtag.

Globales Extremismus-Netz

Bei der Eröffnung des neuen Verwaltungszentrums in Floridsdorf offenbarte die IFW nicht nur ihr Naheverhältnis zur Türkei, sondern auch ihre Zugehörigkeit zu einem islamistischen Netzwerk, auf welche der Vereinsname nicht sofort schließen lässt: Angereist war auch Kemal Ergün, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), die von Köln aus ein weltweites Netz von Moscheen und Bildungszentren mit nach eigenen Angaben 170.000 Mitgliedern organisiert und kontrolliert.

Weniger, aber noch immer extremistisch

Der deutsche Verfassungsschutzbericht 2023 konstatiert zwar, dass die „Extremismusbezüge der IGMG in den vergangenen Jahren schwächer geworden (sind)“, nichtsdestotrotz wird aber auf Seite 396 weiter festgestellt, „dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt“.

In Österreich ist die IGMG mit ihrem Ableger Islamische Föderationen (IF) präsent. Dieser untergliedert sich laut Dokustelle Politischer Islam (DPI) regional in die Islamische Föderation in Wien (IFW), die Austria Linz Islamische Föderation (Alif) in Oberösterreich, Salzburg und Tirol und die Avusturya İIslam Federasyonu (AIF) in Vorarlberg.

Zusammen bilden die Islamischen Föderationen (IF) den zweitgrößten Moscheeverband in Österreich nach der ebenfalls türkischen (Atib) und sind entsprechend stark in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) vertreten. Deren Vorsitzender Ümit Vural stammt ebenso aus ihren Reihen wie der oberste Rechtsgelehrte (Mufti) der IGGÖ, Mustafa Mullaoglu, dessen Name auch auf der Mitgliederliste des Muslimbruderschafts-nahen European Council for Fatwa and Research (ECFR) in Dublin steht.

Finanzpartner Milli Görüs

Die Anwesenheit der IGMG-Prominenz bei der Eröffnungszeremonie in der Wiener Neusetzgasse macht die engen Bande zwischen Wien und Köln sichtbar. Weniger offensichtlich sind finanzielle Verflechtungen. Es lässt sich allerdings belegen, dass die IGMG, also die laut deutschem Verfassungsschutz „extremstische Gruppierung“, hierzulande in muslimische Immobilienprojekte investiert. Konkret auch in das neue IWF-Verwaltungsgebäude.

Screenshot vom Werbevideo zur Infak-Spendenkampagne für das neue Verwaltungszentrum der Islamischen Föderation in Wien.
Screenshot vom Werbevideo zur Infak-Spendenkampagne für das neue Verwaltungszentrum der Islamischen Föderation in Wien. ©Screenshot: Youtube

Dies geht aus Informationen zur sogenannten Infak-Kampagne hervor, einer alljährlichen Spendenkampagne der IGMG zur Finanzierung von Moschee- und Bildungszentrumsprojekten in aller Welt, hauptsächlich in Westeuropa. Auch die Linzer Alif-Zentrale wurde so mitfinanziert. Auf der Webseite der in Köln an der IGMG-Adresse residierenden Europäischen Moscheebau- und Unterstützungsgemeinschaft (EMUG) finden sich Details zum Wiener Projekt: „Das neue Verwaltungsgebäude (der IFW, Anm.) ist 475 Quadratmeter groß und erstreckt sich über 7 Etagen mit einer Grundfläche von 2500 Quadratmeter. … Wir organisieren dieses Projekt in Zusammenarbeit mit dem Verein IGMÖ.“

Bei der IGMÖ handelt es sich um die lmmobiliengemeinschaft der Muslime in Österreich, die von Fatih Vural, Bruder von IGGÖ-Präsident Ümit Vural, geleitet wird. Die IGMÖ residiert an der Adresse der bisherigen IFW-Zentrale im 15. Bezirk (Rudolfsheim- Fünfhaus), die künftig ein islamisches Gymnasium beherbergen soll.

Wieviel Geld genau aus der Infak-2024-Kampagne an die IWF fließen wird, steht laut IF-Sprecher Abdi Tasdögen noch nicht fest. „Die Kampagne muss zuerst enden, damit die Aufteilung der Spendengelder auf die beteiligten Projekte erfolgen kann“, so Tasdögen zum VOLKSBLATT. Auf die Frage, warum die Föderation ihre Projekte durch eine extremistische Organisation mitfinanzieren lässt, will Tasdögen nicht eingehen.

Moscheeprojekt in NÖ

Auch der SPÖ-Bürgermeister von Pottendorf im niederösterreichischen Bezirk Baden reagiert unwirsch auf die Frage nach der Finanzierung des Ausbaues des örtlichen Moscheezentrums. Auch dieses fast fertige Projekt ist Teil der Infak-Kampagne. Laut EMUG-Angaben wird bzw. wurde auf 650 Quadratmetern eine Moschee und ein islamisches Bildungszentrum mit fünf Klassenzimmern für 80 Schüler gebaut. „Es ist nicht meine Aufgabe als Bürgermeister, zu schauen, wer was finanziert“, sagt Thomas Sabbata-Valteiner und verweist auf den Datenschutz.

Screenshot vom Werbevideo zur Infak-Spendenkampagne für das Moscheeprojekt in Pottendorf
Screenshot vom Werbevideo zur Infak-Spendenkampagne für das Moscheeprojekt in Pottendorf ©Screenshot: Youtube

Er will die Informationen aber seinem Rechtsanwalt übergeben. Bislang hatte der SPÖ-Politiker weder gewusst, dass das Moscheeprojekt in seiner Gemeinde von der IGMG mitfinanziert wird, noch, dass deren Vorsitzender Ergün vor drei Wochen die Pottendorfer Baustelle besucht hatte.

Rotes Verwirrspiel

Dabei ist gerade die niederösterreichische SPÖ neuerdings bemüht, sich als Speerspitze gegen den politischen Islam zu inszenieren. Doch sobald es konkret wird, wird Landesvorsitzender Sven Hergovich unkonkret. „Ich setze mich für ein Verbotsgesetz des radikalen Islamismus ein“, bekräftigt der Landesrat gegenüber dem VOLKSBLATT eine schon im Wahlkampf erhobene Forderung. Aus seiner Sicht „fehlt dieses Instrument, um die Rekrutierungs- und Anwerbemaßnahmen der IS-Islamisten zu unterbinden“.

Allerdings: Aktivitäten für den Islamischen Staat (IS) sind strafrechtlich schon ganz gut erfasst, wie zahlreiche Verurteilungen von IS-Sympathisanten zeigen. Kaum fassbar ist dagegen der sogenannte legalistische Islamismus, der seine Ziele nicht mittels Gewalt, sondern im rechtsstaatlichen Rahmen anstrebt, von deutschen Verfassungsschützern aber für nicht weniger bedrohlich gehalten wird.

Organisationen wie Milli Görüs, deren Gründer Necmettin Erbakan die Schaffung einer islamischen Ordnung anstrebte, werden dieser Spielart des politischen Islam zugeordnet. Die Nachfrage, ob sein Ruf nach einem Islamismus-Verbot auch Österreich-Ableger von verfassungsfeindlich deutschen Gruppierungen umfassen solle, lässt Hergovich jedoch unbeantwortet. Ein mögliche Erklärung: Die Forderung nach einem derartigen Verbot würde so manchen mit der Islam-Föderation verbandelten Genossen in Verlegenheit bringen.

Aber auch die Pottendorfer ÖVP will offenbar nicht bei der IF anecken. „Für Bautätigkeiten ist unser Bürgermeister zuständig“, antwortet Gemeindeparteiobfrau Marianne Schmitner knapp auf die Frage nach ihrer Meinung zu den organisatorischen und finanziellen Verflechtungen des Pottendorfer Moscheeprojektes mit Milli Görüs.

LT-Abg. Hungerländer fordert volle Aufklärung über Finanzierung der Wiener Milli-Görüs-Zentrale und der dortigen Bildungsaktivitäten.
LT-Abg. Hungerländer fordert volle Aufklärung über Finanzierung der Wiener Milli-Görüs-Zentrale und der dortigen Bildungsaktivitäten. ©Smesnik

Wiener ÖVP will Transparenz

Deutlichere Worte findet dagegen die Wiener ÖVP zur neuen IWF-Zentrale: „Es muss sichergestellt sein, dass in diesem Zentrum keine unserem Rechtsstaat widersprechenden Inhalte vermittelt werden. Die Lehrinhalte müssen unbedingt offen gelegt werden, fordert die ÖVP-Landtagsabgeordnete Caroline Hungerländer. Und: „Die Finanzierung muss jedenfalls offengelegt werden, das gilt insbesondere für Auslandsfinanzierungen.“

Von Manfred Maurer