Zahlreiche Tote bei Angriff nahe eines Spitals in Beirut

Spuren der Zerstörung im Libanon © APA/AFP/IBRAHIM AMRO

Bei einem israelischen Luftangriff in der Nähe des Hariri-Krankenhauses in Beirut sind nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums 18 Menschen getötet worden. Unter den Todesopfern waren auch vier Kinder. Weitere 60 Menschen seien verletzt worden, teilte das Ministerium am Dienstag mit. Zuvor gab es Luftalarm in der israelischen Stadt Tel Aviv. Die Hisbollah-Miliz beschoss Israel am Dienstag in der Früh erneut vom Libanon aus mit Raketen.

Nur wenige Stunden vor der Ankunft von US-Außenminister Antony Blinken feuerte die radikal-islamische Miliz auf Ziele in der Nähe von Tel Aviv sowie einen Marine-Stützpunkt westlich der Hafenstadt Haifa. Im Zentrum der israelischen Küstenstadt Tel Aviv seien mehrere dumpfe Explosionen zu hören gewesen, schilderte eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort. Nach dem Ertönen der Sirenen seien im Zentrum des Landes fünf Geschoße identifiziert worden, die aus dem Libanon abgefeuert worden seien, teilte die israelische Armee am Dienstag in der Früh mit. Die meisten Geschoße wurden demnach abgefangen.

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Ein Projektil sei in offenem Gelände niedergegangen. Ziel des Angriffs sei der Stützpunkt Glilot der Einheit 8200 des israelischen Militärgeheimdienstes, hieß es von Seiten der Hisbollah. Auch auf den Norden Israels und die nördlichen Golanhöhen seien etwa 15 Geschoße aus dem Libanon abgefeuert worden, hieß es. Einige von ihnen seien abgefangen worden, die übrigen in offene Gebiete gefallen. Die Hisbollah gab bekannt, an der israelisch-libanesischen Grenze sieben israelische Panzer zerstört zu haben.

Die Miliz reklamierte auch den Drohnenangriff vom Samstag auf das Wohnhaus des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanyahu in der Stadt Caesarea für sich. Die Miliz erklärte ihre „volle, vollständige und ausschließliche Verantwortung“ für diesen Angriffe. Netanyahu hatte die mit dem Iran verbündete Hisbollah bereits zuvor für den Angriff verantwortlich gemacht und von eine, Attentatsversuch gesprochen.

Die Betreiber der Universitätsklinik von Beirut berichteten unterdessen von zahlreichen Opfern und Schäden. „Es gibt schweren Sachschaden“, sagte Jihad Saada, Direktor der Universitätsklinik Rafik Hariri. Glasfassaden, Wände und Solarpanels seien beschädigt worden. Israels Armee habe in Nähe der Klinik südlich von Beirut angegriffen – trotz der Markierungen auf dem Dach, die vor solchen Angriffen schützen sollen. „Der Betrieb im Krankenhaus läuft trotz der Schäden weiter“, sagte Saada. „Wir werden weiterarbeiten, wir werden nicht aufhören.“ Auch eine Evakuierung sei nicht geplant. Die Klinik sei in der Gegend das letzte noch arbeitende Krankenhaus nach zahlreichen israelischen Angriffen in den Vororten südlich von Beirut.

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Die Universitätsklinik Rafik Hariri außerhalb von Beirut ist das größte öffentliche Krankenhaus im Libanon und entscheidend bei der Versorgung von Opfern im laufenden Krieg. Das Gesundheitssystem im Libanon stand schon vorher wegen einer schweren Krise kurz vor dem Zusammenbruch. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte vergangene Woche ein Operationsteam in die Klinik geschickt, um die „erschöpften“ medizinischen Angestellten zu entlasten, wie es in einer Mitteilung hieß.

Die israelische Armee sprach davon, bei Angriffen in den südlichen Vororten Beiruts auf eine Marine-Einrichtung der Hisbollah-Miliz abgezielt zu haben. Es hätten sich dort unter anderem militärische Schnellboote und ein Trainingszentrum befunden, teilte die Armee mit. Bei den Angriffen südlich von Beirut seien zudem Waffenlager und Kommandozentren der Hisbollah angegriffen worden.

In einem Bunker unter einem anderen Spital im Süden der libanesischen Hauptstadt habe die vom Iran unterstützte Schiiten-Miliz Bargeld und Gold im Wert von Hunderten Millionen Dollar versteckt, hatte Armeesprecher Daniel Hagari am Montagabend erklärt. Hagari forderte die libanesische Regierung und internationale Organisationen auf, nicht zuzulassen, dass die Hisbollah das unter der Al-Sahel-Klinik im Süden Beiruts gebunkerte Vermögen für Terrorzwecke und Angriffe auf Israel nutzt. Die Luftwaffe beobachte das Gelände, warnte er. Man werde das Krankenhaus selbst aber nicht angreifen. „Ich möchte betonen: Wir sind nicht im Krieg mit dem libanesischen Volk“, sagte Hagari.

Der Direktor des Krankenhauses, Fadi Alameh, bestritt die Vorwürfe und kündigte in einem Interview im libanesischen Fernsehen an, das Krankenhaus vorsorglich evakuieren zu lassen. „Die israelischen Vorwürfe sind unwahr und ein Weg, die Angriffe auf den Libanon und dessen Einrichtungen zu rechtfertigen“, schrieb er auf der Plattform X. Dem Fernsehsender Al Jadeed sagte er: „Es ist ein privates Krankenhaus. Es gibt unterirdische Operationsräume, es gibt Patienten. Es gibt keine Tunnel, das sind erfundene Behauptungen.“ Alameh rief die libanesische Armee und die UNO-Mission UNIFIL auf, das Gebäude zu durchsuchen, um zu belegen, ob es dort „Tunnel“ gebe oder nicht.

Bei israelischen Angriffen im Norden des Gazastreifens wurden unterdessen nach Angaben von Sanitätern mindestens fünf Menschen getötet. Der palästinensische Rote Halbmond berichtete von „schrecklichen Szenen“ beim Transport der Leichen, unter denen auch Kinder seien. 27 weitere Menschen hätten bei Artilleriebeschuss in der Gegend von Jabaliya Verletzungen erlitten. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorfall.

Einwohner des benachbarten Ortes Beit Lahia berichteten, sie seien in Flugblättern der israelischen Armee dazu aufgerufen worden, sofort ihre Häuser zu verlassen. Sie sollten sich in Richtung des Indonesischen Krankenhauses bewegen. Bei Beschuss seien mehrere Binnenflüchtlinge getötet worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Es gab auch zunächst keine Informationen der von der palästinensischen Terrororganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde.

Auslöser des Kriegs war das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus Gaza in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres, bei dem 1.200 Menschen getötet und 250 als Geiseln genommen wurden. Israel will die Hamas, die den abgeriegelten Gazastreifen seit Jahren beherrschte, deshalb vernichten. Seit Kriegsbeginn kamen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 42.700 Menschen ums Leben. Wie viele von ihnen Zivilisten sind, geht daraus nicht hervor, zudem lassen sich die Angaben nicht unabhängig überprüfen. Nach Einschätzung der UNO sind die Zahlen aber weithin glaubwürdig und die meisten der Getöteten Frauen und Kinder. Die auch mit der Hamas im Gazastreifen verbündete Hisbollah greift Israel seit Beginn des Gazakriegs im Oktober vergangenen Jahres fast täglich mit Raketen und Drohnen an.

Die Hisbollah-Miliz will ihre Angriffe auf Israel erklärtermaßen erst einstellen, wenn eine Waffenruhe für Gaza vereinbart wurde. Die unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars geführten Gespräche über ein Ende der Kämpfe kommen jedoch seit Monaten nicht vom Fleck. Daran änderte auch die jüngste Tötung von Hamas-Chef Yahya Sinwar nichts. Ob die erneute Nahost-Reise von US-Außenminister Blinken etwas bewirkt, bleibt abzuwarten.

Die USA als wichtigster Verbündeter hatten Israel vergangene Woche eine Frist von 30 Tagen gesetzt, um die Versorgung der Menschen im Gazastreifen zu verbessern. Sonst könnten US-Waffenlieferungen an Israel gefährdet sein.