Unmittelbar vor dem ersten Jahrestag des von islamistischen Hamas-Terroristen in Südisrael verübten Massenmordes und Massenkidnappings soll Wien Schauplatz eines Palästinakongresses werden, der allerdings weniger ein Beitrag zum Frieden, sondern eher ein Fall für die Sicherheitsbehörden sein wird. Extra pikant: Prominente christliche Vertreter geben ihren Namen für diesen Event her.
Schon der Titel der für 5. und 6. Oktober an einem noch nicht bekannt gegeben Ort angesetzten Veranstaltung lässt erahnen, dass dort kaum die Suche nach israelisch-palästinensischer Entspannung im Zentrum stehen wird: „Palästina Kongress Wien – Für ein freies Palästina ohne Kolonialismus und Apartheid!“
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Auch der Veranstalter steht für Hamas-Lastigkeit: Die „Palästina-Solidarität Österreich“ (PSÖ) ist seit Jahren einschlägig auffällig und nach dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 zu empörter Höchstform aufgelaufen. Wobei der Zorn nicht den palästinensischen Mörderbanden, sondern ausschließlich Israels Gegenoffensive gilt.
Kampf um Slogan
Und inzwischen auch dem hiesigen Justizministerium. Dieses hat einen bei Pro-Palästina-Demos der PSÖ immer wieder gehörte und gesichtete Parole per Erlass für potentiell strafbar erklärt. Wer „From the river to the sea Palestine will be free“ ruft oder auf Transparente schreibt, riskiert wegen „Aufforderung bzw. Gutheißung terroristischer Straftaten“ (Paragraf 282a StGb) eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
Denn dabei handelt es sich um die zentrale Kampfparole der Hamas, die Israel das Existenzrecht abspricht. Ein Palästina vom Fluss (Jordan) bis zum (Mittel-)Meer, das zeigt ein Blick auf die Landkarte, ließe keinen Platz mehr für einen Staat Israel. Genau das ist erklärtes Ziel der Hamas-Terroristen und ihrer Anhänger.
Nichtsdestotrotz hält die PSÖ im Web am Hashtag #fromtherivertotheseapalestinewillbefree fest und bekämpft den Erlass. Neuerdings sogar mit einer Strafanzeige gegen Justizministerin Alma Zadic (Grüne) wegen Amtsmissbrauches.
Die PSÖ-Aktivisten berufen sich auf das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das freilich kein absolutes ist und jedenfalls nicht Propaganda für eine Terrororganisation und die Auslöschung eines demokratischen Staates einschließt.
Kein Wort zu Hamas-Terror
Nicht nur deshalb stellt sich die Frage, ob eine verbotene Parolen verbreitende Organisation einen Palästina-Kongress ausrichten darf. Wohl nicht zufällig enthält der Einladungstext auf der PSÖ-Homepage kein Wort über den für die gegenwärtige Tragödie im Gazastreifen ursächlichen Terrorüberfall der Hamas auf Israel.
Auch die bisher bekannte Referentenliste lässt keine Veranstaltung im Sinne einer von den PSÖ-Propagandisten immer wieder von Österreich eingeforderten Neutralität erwarten. Sie liest sich wie ein Who-is-Who der internationalen Anti-Israel-Szene. Manche Referenten wurden wegen ihres Hamas-freundlichen Engagements in anderen Ländern schon mit Einreiseverboten belegt bzw. deren Organisationen wegen antisemitischer Umtriebe verboten.
Arzt trauert um Terroristen
Zum Beispiel der Mediziner Ghassan Abu Sittah. Der Rektor der Universität Glasgow ist zweifelsohne ein Spitzenchirurg, dessen herausragenden Fähigkeiten auch Kriegsopfern in Gaza schon das Leben gerettet haben.
Zugleich vertritt der Palästinenser aber hochproblematische politische Positionen: Die britische NGO „UK Lawyers for Israel“ etwa beschuldigte ihn in einem offenen Brief an die Uni von Glasgow, „ein Bild verbreitet zu haben, das den Anführer der al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, Nasser Abu Hamid, am Tag nach seinem Tod (20. Dezember 2022, Anm.) zeigt, wie er mit einem Maschinengewehr, das mit Blut getränkt ist, geehrt wird.“
Am Todestag von Maher Al-Yamani, Mitbegründer der Volksfront zur Befreiung Palästinas hielt Abu Sittah im Jahr 2020 eine Gedenkrede, in der er weinend sagte: „Das ist unser einziger Trost: Auch wenn Maher geht, werden die Israelis vor Maher Angst haben.“ Die PFLP ist wie die Hamas Teil der „Ablehnungsfront“, die den Oslo-Friedensprozess und jeden Kompromiss mit Israel verweigert. Die Uni Glasgow leitete eine Untersuchung gegen ihren Rektor ein, auch, weil er auf X/Twitter der Hamas zu ihrem Gründungsjubiläum gratuliert hatte.
Deutschland hatte über ihn im vergangenen April ein — später von einem Gericht allerdings für rechtswidrig erklärtes — Einreiseverbot verhängt, als er versuchte, an einem pro-palästinensischen Kongress ähnlich dem in Wien geplanten teilzunehmen.
Kritik an Hamas verweigert
Ebenfalls in Deutschland unerwünscht war im April der ultralinke griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis. Auch er soll nun beim Wiener Palästina-Kongress antanzen, obwohl, oder wohl: weil er sich ausdrücklich geweigert hat, den Hamas-Angriff zu verteilen: „Ich werde die Hamas nicht verurteilen, genauso wenig wie ich die Ukrainer/innen verurteilen würde“, zog er im vergangenen Oktober kurz nach dem Blutbad in Südisrael einen haarsträubenden, die überfallene Ukraine mit Terroristen auf eine Stufe stellenden Vergleich. Der Berliner Palästinakongress, bei dem Varoufakis hätte reden sollen, wurde letztlich von der Polizei abgebrochenen.
Referent von verbotener „Palästina-Solidarität“
Mit einem Verbot konfrontiert ist auch der palästinensische Aktivist Ahmad Othman, dessen Name sich ebenfalls auf der Teilnehmerliste des PSÖ-Kongresses findet. Er war Mitglied der mittlerweile verbotenen Gruppierung „Palästina Solidarität Duisburg“. Das nordrhein-westfälische Innenministerium begründete das Verbot im Mai unter anderem mit Antisemitismus.
Wörtlich heißt es in einer Erklärung: „Der Verein verbreitet öffentlich in Versammlungen und über seine Social-Media-Kanäle antisemitisches Gedankengut, indem er antisemitische Narrative verwendet und so Ressentiments gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Jüdinnen und Juden allgemein schürt. Der Verein hetzt kontinuierlich gegen den Staat Israel und macht diesen allein verantwortlich für den Nahost-Konflikt. Der Verein trägt Hass und Gewalt in das Verhältnis von Israelis und Palästinensern hinein und gefährdet nicht zuletzt auch Leib und Leben der in Deutschland lebenden israelischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie von Jüdinnen und Juden.“
Die PSÖ dagegen präsentiert Othman als Opfer „von Repression und antipalästinensischer rassistischer Politik in Deutschland“.
Jüdische Feigenblätter
Bei ihrem Kongress, sofern er von den Behörden nicht unterbunden wird, wird die PSÖ auch jüdische Vertreter aufbieten, die allerdings ins israelfeindliche Konzept passen müssen. Der aus Südafrika stammende Andrew Feinstein und die deutsch-israelische Aktivistin Iris Hefets erfüllen diese Bedingung. Ersterer hatte mit dem African National Congress (ANC) gegen die Apartheid gekämpft und glaubt das nun auch gegen Israel tun zu müssen — bis vor vier Jahren als Mitglied der britischen Labour-Partei.
Feinstein gehörte dort zur Entourage des unter anderem wegen antisemitischer Tendenzen geschassten Ex-Vorsitzenden Jeremy Corbyn. Den neuen Labour-Premier Keir Starmer kritisiert das inzwischen Ex-Labour-Mitglied Feinstein scharf für dessen Unterstützung Israels.
BDS-Aktvistin eingeladen
Hefets ist Vorsitzende des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert dessen Engagement in der BDS-Bewegung gegen Israel. BDS bedeutet Boykott, Abzug von Investitionen sowie Sanktionen. Die 2005 international gestartete Kampagne will Israel politisch, wirtschaftlich und kulturell isolieren. Das erinnert an die Nazi-Parole „Kauft nicht bei Juden“.
Laut einem aktuellen Bericht des Berliner Internationalen Instituts für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA) finden sich zahlreiche Belege, dass Hefets Verein „insbesondere den israelischen Staat dämonisiert und delegitimiert“. In Österreich, Deutschland und Tschechien ist die BDS-Kampagne offiziell als antisemitisch eingestuft. Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet sie als „extremistischen Verdachtsfall“.
„Hamas beliebter denn je“
Ebenfalls alles andere als ein Freund Israels ist Azzem Tamimi. Der als Referent angekündigte britisch-palästinensische Aktivist ist Gründer der British Muslim Initiative (BMI), der ebenso eine Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt wird wie dem in London angesiedelten arabischen Sender Al-Hiwar TV, für den Tamimi arbeitet.
Er postet auf X Sätze wie diesen: „Seit dem 7. Oktober 2023 ist die Welt Zeuge eines Prozesses, der einen großen historischen Wandel herbeiführen könnte, der wahrscheinlich in weniger als einer Generation das Ende Israels als zionistische politische Ordnung bedeuten wird.“ Die Hamas sei, schrieb er im Mai, „obwohl verwundet, immer noch am Leben und aktiv und beliebter denn je“.
Der Werbung für den Kongress auf der PSÖ-Homepage sind diese Informationen natürlich nicht zu entnehmen.
Christliche Unterstützer
Sie dürften daher wohl auch so manchem Unterstützer des Kongresses nicht geläufig sein. Neben den Referenten listet die PSÖ auch zahlreiche solcher Unterstützer auf. Dass darunter neben einer Reihe von KPÖ-Funkionären auch die prominente Anwältin Astrid Wagner ist, überrascht nicht angesichts deren Engagements für die ebenfalls einschlägig aktive und von der PSÖ beworbene Gaza-Partei.
Schon eher verwunderlich ist die Unterstützung kirchlicher Vertreter wie Bernhard Heitz. Der emeritierte Bischof der altkatholischen Kirche nahm auch schon bei einer PSÖ-Demo teil, wo er immerhin das Existenzrecht Israels betont hatte. Ebenfalls Unterstützer der Konferenz ist Ferdinand Kaineder, Präsident der Katholischen Aktion.
Vom VOLKSBLATT gefragt, ob ihm die Veranstaltung nicht etwas zu Hamas-lastig sei, verweist der ehemalige Sprecher der Diözese Linz auf seinen „Faden zur Friedenaktivistin Sumaya Farhat-Naser“. Kaineder: „Ich unterstütze mit meinem Namen genau jene Bemühungen, die Frau Farhat-Nasser seit Jahrzehnten tut, Verbindungen herzustellen zwischen da und dort. Dieser Konflikt hat nicht erst am 7. Okt begonnen.“
Kaineder will unterscheiden „zwischen Juden und Jüdinnen, dem Staat Israel und der Regierung Netanjahu“. Gewalt und Extreme müssten „als Hindernis entlarvt und klar abgelehnt werden“.
Ob das in Bezug auf den palästinensischen Terror bei der PSÖ-Konferenz geschehen wird, steht allerdings zu bezweifeln. Bruno-Kreisky-Preisträgerin Farhat-Nasser, die den Hamas-Angriff auf Israel vor einem Jahr als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt hat, steht jedenfalls nicht auf der Referentenliste.
Von Manfred Maurer