Andreas Babler ist nun doch Chef der SPÖ. Bei der Auszählung am Parteitag in Linz waren die Delegiertenstimmen vertauscht worden. So kam nicht Hans Peter Doskozil auf rund 53 Prozent der Stimmen, sondern Babler.
Das verkündete die Leiterin der Wahlkommission, Michaela Grubesa, überraschend am Montagnachmittag. Doskozil gab kurz darauf bekannt, die Niederlage zu akzeptieren. Babler will eine nochmalige Auszählung, ehe er weitere Schritte als Parteichef setzt.
Mehr zu diesem Thema
Suche nach Stimme
Der Fehler sei bei der Übertragung in eine Excel-Tabelle passiert, so Grubesa. Die Listen aus den Wahlurnen seien zusammengeführt und in das System eingespeist worden. Der Fehler sei dabei geschehen: „Das Ergebnis wurde umgedreht“. Dass es überhaupt zu einer Neuauszählung am Montag kam, hängt damit zusammen, dass beim offiziell verkündeten Ergebnis am Abend eine Stimme fehlte. Die wurde gefunden und war ungültig. Gleichzeitig wurde dann auch entdeckt, dass die Stimmen den falschen Kandidaten zugeordnet wurden.
Ein neuer Parteitag ist laut Wahlleiterin Grubesa nicht nötig: „Aus meiner Sicht ist der ganze Prozess belegbar“, so Grubesa, die sich bei Doskozil entschuldigte. Dass am Parteitag nicht nachkontrolliert wurde, nahm sie auf sich. Niemand in der Kommission — auch nicht sie selbst — habe das veranlasst. Laut dem nun vorliegenden Ergebnis kam Doskozil auf 280 Stimmen (46,5 Prozent), Babler hingegen auf 317 (52,7 Prozent).
Entschuldigung Bablers
Der vermutlich neue SPÖ-Vorsitzende beließ es Montagabend bei einem kurzen Statement im sozialdemokratischen Parlamentsklub, nach dem keine Fragen zugelassen waren. Sollte das Ergebnis auch nach der Nachzählung, die bereits in die Wege geleitet sei, noch immer ihn als Chef ergeben, werde er das Amt übernehmen. Er erwarte sich absolute Transparenz und Wahrheit: „Jetzt ist die Wahlkommission am Zug.“
Babler sprach von einem „Tiefpunkt“ durch die falsche Auszählung. Dieser sei nicht nur für Doskozil schmerzhaft, sondern für die ganze Partei. Das Geschehen sei nicht zu rechtfertigen: „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unserer Apparats in den vergangenen Wochen abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen.“
Der neue Parteichef gab an, gemeinsam mit seinem Team „am völligen Comeback“ der SPÖ zu arbeiten und bat neue Mitstreiter, der Partei treu zu bleiben. Über Personalia werde er zu gegebenem Zeitpunkt informieren.
Doskozil akzeptiert Wahl
Kurz davor trat Doskozil in Eisenstadt vor die Presse und gestand seine Niederlage ein. „Es ist unbestritten, das Wahlergebnis so zur Kenntnis zu nehmen“, sagte er. Er wolle Babler „zum Gewinn der Wahl und zum Vorsitz der Bundespartei recht herzlich gratulieren“. „Es wird Häme geben, es wird Spott geben, aber es wird wieder schönere Zeiten für die Sozialdemokratie geben“, zeigte er sich nach knapp 48 Stunden, in denen er sich fälschlicherweise als Vorsitzender der SPÖ gewähnt hatte, überzeugt. Seine eigenen Ambitionen erklärte Doskozil für beendet, er wolle auch keinen neuerlichen Sonderparteitag: „Für mich ist das Kapitel Bundespolitik damit ein für alle Mal abgeschlossen.“ Ob er selber bei der Landtagswahl 2025 noch einmal antreten werde, ließ er offen.
Während die politischen Gegner nicht mit Spott und Häme sparten (siehe Seite 4), waren die Reaktionen aus den SPÖ-Reihen verhaltener. Neben leisen kritischen Stimmen gab es überwiegend Glückwünsche für Babler. Auch SPÖ OÖ-Chef Michael Lindner — bekennender Doskozil-Unterstützer — gratulierte und regte an, den Blick Richtung Nationalratswahl 2024 zu richten.
Die Selbstdemontage der SPÖ im Zeitraffer
Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler ist am Ende des jahrelang schwelenden Konflikts um die Parteispitze zwischen Pamela Rendi-Wagner und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil als lachender Dritter hervorgegangen. Die Chronologie der Ereignisse dieser SPÖ-Selbstdemontage in den letzten Jahren.
22. September 2018: Rendi-Wagner wird als neue SPÖ-Chefin designiert, beim Parteitag Ende November bekommt sie 97,8 Prozent. Doskozil schneidet mit 82 Prozent unter den Stellvertretern am schwächsten ab.
Dezember 2018: Doskozil richtet der Bundespartei am Beispiel Mindestsicherung aus, sie solle eine „konstruktivere Oppositionspolitik“ fahren. Auch danach sorgt er mit öffentlichen Wortmeldungen etwa zur Sicherungshaft in der Partei für Konfliktstoff.
2. März 2019: Beim Landesparteitag der Tiroler SPÖ fordert Rendi – auch in Richtung Doskozil – Geschlossenheit in der Partei ein. Der kündigt aber gleich an, seine Meinung weiterhin zu äußern, wenn er es als „richtig“ erachtet – und das tut er in der Folge häufig.
November 2019: Nach dem schlechten Abschneiden der SPÖ nicht nur bei der Nationalratswahl erklärt Doskozil die SPÖ für „nicht regierungsfähig“.
Jänner 2020: Im Vorfeld der burgenländischen Landtagswahl zieht Doskozil wieder gegen die „thematisch passive“ Bundes-SPÖ vom Leder.
6. Mai 2020: Rendi-Wagner versucht einen Befreiungsschlag durch eine Mitgliederbefragung und bekommt 71,4 Prozent Zustimmung. Nur zwei Monate später schließt Doskozil eine Nationalrats-Spitzenkandidatur lediglich „derzeit“ aus. „Man kann nie wissen, was politisch passiert.“
19. September 2020: Doskozil macht gegen die Linie der Parteichefin, Flüchtlingskinder aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria aufzunehmen, mobil.
16. April 2021: Rendi-Wagner kritisiert Doskozil, der schon länger für einen Kurswechsel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie plädiert hat, ungewöhnlich scharf für das vorgezogene Ende des Ostregion-Lockdowns.
26. April 2021: Doskozil zieht sich aus dem Parteipräsidium zurück, damit wolle er „einen Neustart ermöglichen“.
26. Juni 2021: Der Bundesparteitag wird zum Debakel für Rendi-Wagner. Sie erhält bei ihrer Wiederwahl lediglich 75,3 Prozent der Delegiertenstimmen.
November 2022: Die SPÖ Burgenland sorgt mit einer von ihr beauftragten Umfrage für Aufsehen, in der auch abgefragt wird, wie die SPÖ bei einer bevorstehenden Nationalratswahl mit Doskozil als SPÖ-Kanzlerkandidat im Vergleich zu Rendi-Wagner abschneiden würde.
Frühjahr 2023: Nach den Verlusten der SPÖ bei den Wahlen in Niederösterreich nimmt die Debatte um Rendi-Wagner — befeuert durch Aussagen Doskozils — weiter an Fahrt auf.
14. März 2023: Doskozil legt sich fest und gibt bekannt, dass er sich um den Vorsitz der Bundes-SPÖ bewerben will.
15. März 2023: Der SPÖ-Vorstand beschließt, dass eine Mitgliederbefragung zur künftigen Parteispitze abgehalten werden soll. Endgültig entschieden werden soll die Führungsfrage bei einem Parteitag.
11. April 2023: Von den ursprünglich 73 Kandidaturen sind nur noch Rendi-Wagner, Doskozil und Babler im Rennen.
24. April 2023: Die bis 10. Mai laufende Mitgliederbefragung beginnt.
22. Mai 2023: Bekanntgabe des Ergebnisses der Mitgliederbefragung nach Auswertung der Fragebögen durch die interne Wahlkommission: Doskozil erhielt 33,7 Prozent der Stimmen. Babler holte 31,5 Prozent, Rendi-Wagner 31,4 Prozent. 3,5 Prozent waren gegen alle drei Optionen.
25. Mai 2023: Rendi-Wagner gibt ihr komplettes Aus aus der Politik bekannt. Die scheidende SPÖ-Chefin kündigt an, auch ihr Mandat im Nationalrat zurückzulegen — spätestens mit Ende Juni.
3. Juni 2023: Hans-Peter Doskozil wird am Sonderparteitag in Linz mit 53 Prozent der Stimmen vermeintlich zum neuen SPÖ-Vorsitzenden gewählt, Andreas Babler unterliegt mit angeblich 46,8 Prozent.
5. Juni 2023: Das Ergebnis wird korrigiert, sprich umgedreht.