Seit 24. Oktober ist Christian Dörfel neuer Landesrat für Soziales und Integration. Der erfahrene Politiker folgt Wolfgang Hattmannsdorfer, der künftig das Amt des Generalsekretärs der Wirtschaftskammer Österreich übernimmt. Im Gespräch mit Chefredakteur Roland Korntner und Politik-Redakteur Dominik Hennerbichler stand der 63-Jährige zum Amtsantritt Rede und Antwort.
VOLKSBLATT: In Ihrer politischen Karriere haben Sie schon viel erlebt und diverse Funktionen ausgeübt: Gemeinderat, Bürgermeister, Parteifunktionär, zuletzt OÖVP-Klubobmann. Wo reiht sich da das Amt des Landesrats ein?
CHRISTIAN DÖRFEL: Das ist der Höhepunkt einer langjährigen politischen Karriere. Und ich sehe das auch in irgendeiner Form als Bestätigung für meine bisherige politische Tätigkeit und dass ich da nicht so viel falsch gemacht haben kann. Sonst wäre ich vom Landeshauptmann nicht ersucht worden, dass Amt zu übernehmen.
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Was spricht sonst für Sie als neuer Landesrat für Soziales und Integration?
Dörfel: Vor allem auch ein nahtloser Übergang. Denn ich bin mit den Themen gut vertraut. Als Klubobmann war ich zwar mehr oder weniger eine Art Zehnkämpfer in quasi allen Bereichen. Nachdem die letzten Jahre das Sozialressort ein Schwerpunkt der ÖVP war, war ich da aber natürlich tiefer drinnen. Und ich glaube, es war dem Landeshauptmann wichtig, dass die erfolgreiche Arbeit fortgesetzt wird und mit etwas Neuem angereichert wird. Da hat er einen Profi gebraucht und offensichtlich hat er in meiner Person solch einen Profi gesehen.
Sie waren jetzt als Klubobmann aber vor allem der Parteimanager und nun stehen Sie als neuer Landesrat in erster Reihe.
Das stimmt. So gesehen ist es natürlich eine komplett neue Aufgabe. Auch von der grundsätzlichen Aufgabenstellung her. Denn jetzt bin ich verantwortlich für Soziales, für Integration, für Jugend, kann da direkt gestalten, kann direkt meine Ideen einbringen. Ich brauche natürlich immer wieder Beschlüsse in der Landesregierung oder im Landtag, aber es ist natürlich was anderes. Man kann da schon viel mehr gestaltend tätig sein. Im Gegensatz zur Funktion des Klubobmanns, wo es das Ziel war Beschlüsse herbeizuführen.
Ich habe immer gesagt, ich bin dem Chef des Maschinenraums und muss schauen, dass wir möglichst breite Mehrheiten zusammenbringen für gewisse Sachen. Außerdem landete nicht die gesamte politische Tätigkeit im Landtag. Vieles war auch parteiinterne Arbeit. Als Landesrat ist man viel unmittelbarer bei den Menschen, bei den Organisationen, die Aufträge bekommen. Man ist also tatsächlich in der operativen Ebene.
Das Sozialressort ist der ÖVP sehr wichtig. Seit sie das Ressort führt, ist viel weitergegangen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Fundament, das Ihnen nun zur Vefügung steht?
Auf alle Fälle sehr zufrieden. Und es gibt keinen Grund, diesen Erfolgskurs und den Reformkurs im Sozialressort nicht fortzusetzen, da wäre ich ja dumm. Ich glaube, es ist sehr gut gearbeitet worden und es zeigt auch, dass das Sozialressort bei der ÖVP gut aufgehoben ist. Da und dort wird es wieder Neuerungen brauchen, aber alles, was derzeit läuft oder oder in Umsetzung ist, wird natürlich fortgeführt. Das habe ich auch den vielen Organisationen und Partnern signalisiert und sie können sich darauf verlassen, dass jetzt nicht ein kompletter Schnitt kommt. Das kann ich ausschließen.
Es gibt immer wieder Zurufe und diverse Forderungen in Richtung Wien, es dürfe keine Kürzungen geben. Gab es die auch schon in Ihre Richtung?
Wir sind ja in der Phase der Budgeterstellung 2025. Und dass das Geld nicht mehr wird, ist bekannt. Uns geht es nicht darum zu kürzen, zu streichen oder gar einen Rasenmäher anzusetzten, sondern wir werden Schwerpunkte setzen. Wobei ich auch klar sage, alles, was bisher vereinbart wurde, wird auch weitergeführt. Der Spielraum ist halt kleiner geworden. Aber ich habe seit 20 Jahren Erfahrung im Budgetieren. Es ist mir also nicht fremd, nur die Zahlen sind größer.
Gerade im Sozialbereich hilft es, wenn man das Ohr nah an den Bürgern hat. Als Bürgermeister sind Sie da prädestiniert. Was hören Sie da für Themen, Sorgen und Ängste?
Man hört vor allem, dass es mehr Fachkräfte braucht. Ich habe selber in meinem Umfeld Menschen, die in Alten- und Pflegepflegeheime beschäftigt sind. Daher kenne ich die Probleme, Das heißt, wir brauchen mehr Fachkräfte, wir müssen uns überlegen, wie kann denn die Altenbetreuung der Zukunft ausschauen. Wir setzen jetzt bereits die Schritte für die Betreuung in 10, 15 Jahren. Alle sollen die Garantie haben, dass wir auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige Betreuung haben, die Lebensabend in Würde sicherstellt.
Und auch im Bereich der Menschen mit Beeinträchtigung wollen wir die Sicherheit haben, dass alle auch in Zukunft gut aufgehoben sind. Daher bauen wir Wohnplätze und probieren eine passgenaue Betreuung sicherzustellen, je nach Grad der Beeinträchtigung.
Und im Bereich der Integration?
Da gibt es ebenfalls viel zu tun und das machen wir auch. Wir setzten auf drei wesentliche Säulen. Deutsch als gemeinsame Sprache, Arbeit als Lebensmodell und Respekt vor unseren Werten und unserer Lebensweise. Das werden wir auch ganz klar weiterführen. Den Bereich „Respekt und Werte“ werden wir noch verstärken müssen und mehr in den Mittelpunkt stellen.
Was ist Ihnen bei diesem Thema wichtig?
Dass Integration eine Verpflichtung für die Zugewanderten ist und kein Angebot für jene, die zu uns kommen. Sie müssen sich an die Mehrheitsgesellschaft anpassen und nicht umgekehrt. Ich glaube, das sind ganz klare Aussagen und wir werden deshalb die derzeitigen Wertekurse weiterentwickeln, mehr Anti-Gewalt-Kurse und vieles mehr. In diese Richtung muss es gehen. Wir entscheiden damit, wie unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren aussehen soll. Wollen wir den Gedanken des Miteinanders oder wollen wir Polarisierungen zulassen? Ich habe selbst zwei Enkelkinder mit 4 und 6 Jahren. Umso wichtiger ist es mir mitzugestalten, wie die dann aufwachsen. Das ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Motivation.
Das ist schon geht ganz klar in die Richtung, Asylwerber in die Pflicht nehmen.
Natürlich. Ohne dem geht es gar nicht. Wer bei uns ist, muss erst einmal wissen, welche Regeln bei uns gelten. Und diese Regeln sind einzuhalten. Es gibt gewisse Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Wer sich nicht nach diesen orientiert, muss die Konsequenzen tragen. Und das heißt Abschiebung. Da gibt es mit mir überhaupt keine Debatte.
Da kommt es nun offenbar auch auf europäischer Ebene zum Umdenken?
Das war und ist eine langjährige Forderung der ÖVP. Deshalb bin ich froh, dass das auf europäischer Ebene auch mittlerweile so gesehen wird, dass wir keinen ungezügelten Zugang mehr zulassen können. Wir suchen uns künftig aus, wer zu uns kommt. Dafür braucht es an der Außengrenze die nun geplanten Asylzentren. Und jeder, der die Gesetze missachtet oder die Regeln bricht, der wird abgeschoben, das muss jedem klar sein, von Anfang an. Alles das – und da bin mir sicher – führt dann auch zu einem Umdenken. Sowohl in der Gesellschaft, aber auch bei den Asylwerbern. Wenn einer keine Konsequenzen für Fehlverhalten kriegt, warum soll er sich dann beim nächsten Mal anders verhalten? Die meisten kommen aus anderen Kulturkreisen und deshalb müssen sie auch wissen, wie sie sich bei uns zu verhalten haben.
Ist das gemeinsame europäische Vorgehen auch die wirksamste Maßnahme, um den Rechten den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Auf alle Fälle, denn die leben ja davon. Die Rechten und vor allem die Rechtsextremen leben von Anschlägen der Islamisten. Und dem muss man einen Riegel vorschieben. Es geht auch darum: Ist der Staat handlungsfähig oder nicht? Ist er es nicht, bestätigt man extreme Positionen. Deswegen gehören alle Extremisten, ganz egal auf welcher Seite, ob links, ob rechts, ob religiös etc. in jeder Phase bekämpft.
OÖVP-Landesgeschäftsführer Florian Hiegelsberger hat zuletzt wieder die ungebremste Fortsetzung der Grenzkontrollen und Schleiferfahndungen gefordert. Stehen Sie auch hinter dieser Forderung?
Ja, natürlich. Denn, wenn ich Reisefreiheit im Inneren der EU haben möchte, dann brauche ich sichere Außengrenzen. Grenzkontrollen sind ein essenzieller Schwerpunkt damit möglichst wenige Leute zu uns kommen. Wir helfen sonst nur dem Geschäft der Schlepper und dem Tod im Mittelmeer und auf anderen Schlepperrouten, wenn man nicht sehr rigoros Signale aussendet, dass wir nur Menschen, die wir haben möchten, die bereit sind eine Leistung zu erbringen und Schutz suchen, aufnehmen. Wer sich allerdings nur in irgendeiner Form verbessern möchte, ohne dass er in seinem Herkunftsland gefährdet ist, wird in Zukunft nicht mehr die Möglichkeiten dazu haben.
Was braucht es, um Abschiebungen endlich effizienter zu gestalten?
Einzelstaatliche Lösungen bringen hier wenig. Die EU muss Rückführungsübereinkommen abschließen. Eine große Frage ist: Wie definieren wir sichere Drittstaaten? Das muss auf europäischer Ebene geschehen, damit nicht jedes Land eine eigene Liste hat. Deutschland hat hier schon ein Modell entwickelt und ich glaube, auf dem kann man aufsetzen und weiterentwickeln.
Mit Magnus Brunner ist ein Österreicher nun EU-Kommissar für Migrationspolitik. Welche Hoffnungen und Erwartungen stecken Sie in ihn?
Mit ihm haben wir jetzt einen direkten Zugang zu dem wichtigen Ressort. Außerdem weiß ich, der tickt wie wir. Deshalb glaube ich schon, dass da einiges in Bewegung kommt. Auch weil Länder, die bisher eher großzügige Linie verfolgt haben, jetzt auch plötzlich umschwenken. Das ist ein ermutigendes Signal.
Wo wollen Sie sonst noch Schwerpunkte setzen?
Es gibt natürlich immer wieder Schnittstellen, wo man sich denkt, da müssen wir etwas verbessern. In der Pflege ist ein großes Thema der der Übergang vom Krankenhaus zur Pflege in einem Heim oder Zuhause. Einige sind fürs Krankenhaus zu in zu guter und für die Pflege zu Hause zu in zu schlechter Verfassung. Da braucht es noch etwas für dazwischen. Es gibt schon vielversprechende Pilotprojekte, die wir ausrollen werden.
Auch für Menschen mit Beeinträchtigung ist einiges in der Pipeline. Wir haben ein Programm, für die Errichtung von 100 neuen Wohnplätzen pro Jahr, das der Landeshauptmann ausgegeben hat. Auch da sind wir gut unterwegs. Das werden wir bis 2027 erreichen. Es geht darum, den Familien Sicherheit zu geben. Immerhin wird ein großer Teil der Menschen mit Beeinträchtigung im Familienverband betreut. Und das sind dann oft die Sorgen der Eltern. Was passiert eigentlich Wenn ich nicht mehr in der Lage bin für mein Kind zu Sorgen?
Haben Sie da schon eine Idee?
Da müssen wir schauen, dass wir ein passgenaues Betreuungsprogramm aufstellen, je nach Grad der Beeinträchtigung, um auch den Familien die Sicherheit zu geben, dass ihre Angehörigen gut aufgehoben sind in Zukunft, in Würde leben können und – soweit es möglich ist – auch ein selbstbestimmtes Leben führen können. Das ist schon eine große gesellschaftliche Verantwortung.
Wir kümmern uns aber auch um Jugendliche. Manche erleben in der Jugend schwierige Jahre. Diesen jungen Menschen wollen wir wieder Orientierung geben und Perspektiven aufzeigen, Ängste nehmen und ihnen zeigen, dass sie alle Chancen der Welt haben, wenn sie bereit sind, mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen. Dafür werden wir auch nächstes Jahr das Programm „Lernen fürs Leben“ starten, bei dem gezielt Finanzbildung, Vertragsabschlüsse, wie Mietvertrag, und all diese Dinge vermittelt werden.
Den Rücktritt als Bürgermeister von Steinbach haben Sie bereits angekündigt. Wie ist der geplante Ablauf?
Ja, mein Rücktritt steht fest. Aber das ganze braucht noch etwas Zeit, um den Übergang gut zu regeln. Denn es geht ja nicht nur darum einen Bürgermeisterposten zu übergeben. Mit dem Amt sind so viele andere Funktionen verbunden. Von Leader, Regionalforum, Hochwasserverband und und und. Einige Funktionen habe ich bereits zurückgelegt. Aber du musst ja überall eine gute Nachfolge sichern und das geht nicht vor einen Tag auf den anderen. Ich bin kein Typ, der sagt: „So aus, jetzt bin ich Landesrat. Tschau und schaut was ihr nun macht.“
Gibt es schon eine Nachfolge?
Nein, eine designierte Nachfolge gibt es noch nicht. Es gibt aber mögliche Kandidaten. Gespräche laufen. Ich werde aber nichts ankündigen, sondern das bekannt geben, wenn es entschieden ist.
Wenn wir schon bei Nachfolge sind. Im Landtagsklub folgt Ihnen nun Margit Angerlehner. Gab es Tipps oder Ratschläge von Ihnen?
Nein, das braucht Sie gar nicht. Jeder hat eine eigene Persönlichkeit. Die Margit muss auch ihren eigenen Weg finden. Aber sie ist auch Bürgermeisterin, sie ist in der Wirtschaft, sie ist Unternehmerin – sie hat viel Erfahrung und wird das sicher auch super machen. Wenn es einen Tipp gäbe, dann: Frühzeitig die anderen einzubinden und zu informieren, wenn man breite Mehrheiten haben will.
Wie bewerten Sie die Gedankenspiele von Rot und Grün, die sich gegen den Proporz im Landtag richten?
Ich halte von dem gar nichts, das habe ich ihnen auch schon deutlich mitgeteilt. Ich glaube nach wie vor, dass das die beste Regierungsform ist, dass jeder nach Maßgabe seiner Stärke auch in der Regierung vertreten sein soll oder sein muss. Damit hat jeder einen Wählerauftrag, den er im Rahmen seines Ressorts erfüllen kann. Und wie schwierig andere Regierungsformen sind, sieht man ja gerade im Bund.
Was erwarten Sie, wie es dort jetzt weitergeht?
Kann ich jetzt gar nicht sagen. Karl Nehammer hat jetzt den Auftrag eine funktionierende, stabile Regierung zu bilden. Ich werden ihm da keine Zurufe geben, was er tun soll oder was nicht.
Hätten Sie einen Favoriten für den Dritten im Bunde neben ÖVP und SPÖ?
Ich beteilige mich gar nicht an Spekulationen. Für mich wäre es wichtig, dass ich bald einen Ansprechpartner auf Bundesebene habe. Ein Sozialminister wäre hilfreich, ja.
Rechnen Sie mit einer Einigung in diesem Jahr?
Nein, ich rechne heuer nicht mehr mit einer Regierung, sondern es wird Ende Februar.
Das Gespräch führten Chefredakteur Roland Korntner
und Redakteur Dominik Hennerbichler